Ist dieser Buchdeckel blau?

Je nach Information nehmen Menschen die gleiche „Realität“ sehr unterschiedlich wahr. So erkennen Betrachtende unserer Illustration nur den blauen Buchdeckel. Vor abschliessenden Urteilen lohnt es sich jedoch möglichst alle Informationen zusammenzutragen. Das geht im Team einfacher als alleine.

Vom Winde verweht

Der erste Tag der Leichtathletik Europameisterschaften 2014 in Zürich hatte es in sich. Der Start der Wettkämpfe wurde um fast eine Stunde nach hinten verschoben, da ein Gewitter über Zürich tobte. Im Stadion regnete es stark. Von der Haupttribüne aus schien die Lage jedoch nicht weiter dramatisch. Die dort stationierten TV-Stationen waren denn auch sehr verärgert über die Verschiebung. Als CEO des Anlasses wurde ich „imperativ aufgefordert“, Stellung zu nehmen. Als ich bereits vor der Kamera des deutschen TV-Senders stand, spielte das Schweizer Fernsehen ein paar Live-Bilder aus dem zwei Kilometer entfernten Einlaufstadion ein. Dieses wurde gerade vom Wind förmlich verwüstet. Statt eine Rechtfertigung abgeben zu müssen, durfte ich den plötzlich wohlgesinnten TV-Kollegen erklären, wie wir uns auf einen solchen Fall vorbereitet hatten.

Nachrichten-Informationen

Nie wurde mir bewusster, wie sehr verschiedene Informationsniveaus zu unterschiedlichen Perspektiven der gleichen Realität führen. Im Beispiel unserer Illustration sieht die Person, die das Buch hält, die andere Seite des Einbandes. Diese ist rot. Bei vollständiger Information ist der Buchdeckel also blau und rot. Solche Informationen nenne ich „Nachrichten-Informationen“. Sobald man sie erhält, kann man die Information einfach verarbeiten und eine andere Position einnehmen.

Wissens-Informationen

Unter Wissens-Informationen verstehe ich Informationen, die auf wirklicher Expertise und nicht auf Halbwissen beruhen. Den Unterschied erklärt diese berühmte Anekdote. Nachdem Max Planck den Nobelpreis für Physik erhalten hatte, hielt er 1919 zahlreiche Vorträge zur neuen Quantenmechanik. Der ihn begleitende Chauffeur kannte den Vortrag bald auswendig. Aus Spass hielt daher der Chauffeur den Vortrag in München – sehr gekonnt. Sein „Chauffeur“ Planck sass im Publikum. Nach dem Vortrag wurde eine schwierige Frage dazu gestellt. Die prompte Antwort: „Nie hätte ich gedacht, dass in einer so fortschrittlichen Stadt wie München eine so einfache Frage gestellt würde. Ich werde meinen Chauffeur bitten, die Frage zu beantworten.“ Einen einzelnen Vortrag auswendig können, ersetzt eben nicht das breite Wissen eines wahren Experten.

Erfahrungs-Informationen

Als neuer General Manager des America’s Cup Gewinners Alinghi arbeitete ich mich 2004 auf der Wissensebene sehr seriös ein. Allerdings segle ich selber nicht. So ging mir jegliche Erfahrung darüber ab, was es heisst, sein Leben auf einem Segelboot zu riskieren. Denn das tut man beim America’s Cup. Erfahrungs-Informationen erhält man weder durch Intelligenz noch durch Fleiss. Sobald es um Sicherheitsfragen auf dem Boot ging, war ich also überfordert. Obwohl ich die Budgetverantwortung trug, entschieden daher de facto die erfahrenen Segler über Sicherheitsvorkehrungen und Materialien.

Kollektive Informationen

Die Zahl von Informationen aller Art nimmt täglich in schwindelerregendem Mass zu. Einzelpersonen können sie alleine kaum zusammentragen und einordnen. Unter diesem Gesichtspunkt werden Teams immer wichtiger, gerade in unserer zunehmend digitalen und vernetzten Welt. Erst die systematische und unvoreingenommene Nutzung aller Arten und Quellen der Information ermöglicht „informierte Entscheidungen“. Im Team kann jede und jeder dazu beitragen und somit den Erfolg des Teams sichern.

Weitere Überlegungen zu «unterschiedlichen Perspektiven» im Blog-Beitrag Warum versteht mein Chef mich nicht?

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Ein Selbstporträt des Autors Patrick K. Magyar
Durch ihre Selbstporträts bieten unsere Autoren einen Einblick in ihre Denkart und Lebenserfahrungen. Dies wird Sie bei der Einordnung ihrer Beiträge und Ansichten unterstützen: